Wien verhindert Überflutungen oft unbemerkt – dank Daseinsvorsorge
Die Klimakrise bringt uns immer heißere Sommer mit immer heftigeren Gewittern und Starkregenfronten. Hochwasser und Überflutungen werden dadurch zur ständigen Gefahr. Wien setzt deshalb auf ausgeklügelten Schutz gegen Überflutungen: intelligente Kanalsteuerung, riesige unterirdische Pufferbecken und nicht zuletzt die Neue Donau. Ohne sie wäre die Stadt in den letzten 20 Jahren schon mehrmals unter Wasser gestanden. Doch nicht nur Sicherheit steht beim Hochwasserschutz im Fokus, Wien achtet auch darauf, möglichst wenig in die Natur einzugreifen und die hohe Lebensqualität zu erhalten.
„Ohne die Donauinsel würden vermutlich bereits weite Teile der Leopoldstadt, der Brigittenau, Floridsdorfs und der Donaustadt meterhoch unter Wasser stehen.“ Das schrieb das Nachrichtenmagazin Profil während des „Jahrhunderthochwassers“ 2013. Damals bewahrten das Entlastungsgerinne und die Neue Donau die Stadt schon zum zweiten Mal seit der Jahrtausendwende vor einer Katastrophe.
Doch die Neue Donau ist nur ein kleiner – wenn auch extrem effektiver – Teil des Hochwasserschutzsystems in Wien. Dass die große Zahl an Starkregen und Gewittern Wien regelmäßig überfluten würde, merken wir dank dem perfekt aufeinander abgestimmten Hochwasserschutzsystem meist gar nicht, denn die Stadt kann die Wassermassen „verdauen“.
Doch das ist nur möglich, weil Wien die Daseinsvorsorge nicht aus der Hand gegeben hat. So kann die Stadt die Kanalisation auch zum Hochwasserschutz nutzen. Sie ist so gebaut, dass sie Starkregen aufnimmt und ableitet. Wenn das einmal nicht mehr reicht, steuert ein ausgeklügeltes Sicherheitsnetz das Wasser in Auffangbecken. Erst wenn auch das nicht mehr genügt und die Donau Hochwasser führt, zückt Wien seinen Joker und öffnet die Schleusen zum Entlastungsgerinne.
DONAUINSEL: DAS WAHRZEICHEN WIENS WAR EINST UMSTRITTEN
1973 war Spatenstich für das Megaprojekt. Davor hatten Hochwasser alle paar Jahrzehnte mehr oder weniger große Teile Wiens überflutet. Trotzdem war der Bau der Donauinsel heftig umstritten. Diese Konflikte legten sich, nachdem die Donauinsel eingeweiht worden war. Es dauert nicht lange, bis sich die Wiener*innen in ihr neues Nacherholungsgebiet verliebt hatten.1988 war dann das Entlastungsgerinne fertig. Es sollten allerdings weitere 14 Jahre vergehen bis das Entlastungsgerinne die „Feuertaufe“ bestand: 2002 zog ein Jahrhunderthochwasser eine Spur der Verwüstung durch Österreich, die Neue Donau sorgte jedoch dafür, dass Wien verschont blieb. Selbst einstmals erbitterte Gegner des Projekts räumten danach ein: „Die Donauinsel ist eine gute Sache".
NEUE DONAU: WASSER KANN AUSWEICHEN
In der Neuen Donau gibt es drei Wehranlagen, die als Schleusen fungieren. Die erste davon in Langenzersdorf trennt das Entlastungsgerinne von der Donau. Normalerweise bleibt sie verschlossen. Die Neue Donau ist dann ein stehendes Gewässer und einer der beliebtesten Badeplätze der Wiener*innen . Erst bei Hochwasser leitet die Stadt Wien bei Langenzersdorf Wasser aus dem Hauptstrom der Donau in die Neue Donau um. Die beiden anderen Wehranlagen regulieren den Wasserfluss im Entlastungsgerinne und seinen Abfluss zurück in die Donau stromabwärts von Wien.
Wassermassen, die sonst Teile Wiens überfluten würden, können so in die Neue Donau ausweichen. Deshalb gilt bei Hochwasser auch Badeverbot. Denn einerseits gelangt verschmutztes Wasser aus der Donau in die Neue Donau. Andererseits ist die Neue Donau dann auf einmal ein Fluss mit starker Strömung.
MEHRSTUFIGER HOCHWASSERSCHUTZ
Allein in den letzten 20 Jahren musste das Entlastungsgerinne Wien schon vor zwei „Jahrhunderthochwassern“ bewahren und die Wetterextreme werden Jahr für Jahr mehr. In weiser Voraussicht hat die Stadt bereits in den 1970ern für Schutz vor den Folgen der Klimakrise im 21. Jahrhundert gesorgt. Auch das ist Daseinsvorsorge: Präventionsmaßnahmen treffen, die so weitreichend sind und so viel Puffer bieten, dass sie auch vor Bedrohungen schützen, die sich erst langsam abzeichnen.
Und auch wenn die Donau kein Hochwasser führt: Starkregen, wie er früher nur alle heiligen Zeiten vorkam, ist in den Sommermonaten mittlerweile „business as usual“, deshalb investiert Wien weiter in durchdachten Hochwasserschutz.
So hat die Stadt ihre Kanalisation so ausgebaut, dass diese genug Reserven bietet: Sie kann auch sehr große Mengen an Starkregen aufnehmen und ableiten. Um das bewerkstelligen zu können, wird Wasser innerhalb des Wiener Kanalnetzes intelligent gesteuert. Regnet es in einem Teil Wiens besonders stark, leiten die Mitarbeiter*innen der Wiener Kanalisation Wasser von dort in weniger ausgelastete Teile des Kanals um . Viele Überflutungen verhindert die Stadt bereits dadurch.
UNSICHTBARER SCHUTZ FÜR DIE STADT
Sollten die Wassermassen so gewaltig sein und das intelligent gesteuerte Kanalnetz an seine Grenzen bringen, stehen fünf riesige unterirdische Speicherbecken als Puffer bereit. Allein sie fassen bis zu 210 Millionen Liter Wasser. Wo diese Becken sind? Zum Beispiel 30 Meter unter dem ersten Bezirk, unter einer Streuobstwiese in Liesing, oder unter einem Sportplatz in Simmering. Durch riesige Rohre werden die Wassermassen dorthin geleitet. Insgesamt kann das Wiener Kanalnetz dadurch eine halbe Milliarde Liter Wasser aufnehmen.
„VERBESSERTER HOCHWASSERSCHUTZ WIEN“
Donauinsel, Kanalisation und Auffangbecken - all das sind Teile des Jahrhundertprojekts „Verbesserter Hochwasserschutz Wien“. Heuer wurde es 50 Jahre nach dem Spatenstich zur Donauinsel abgeschlossen. Letzter Puzzlestein war die Sanierung des Machfeldschutzdamms in Niederösterreich. Er schützt nicht nur Wien vor Überschwemmungen, sondern bietet mit 77 Kilometer langen Rad- und Schotterwegen auch zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten.
WIEN VERHINDERT UNBEMERKT ÜBERFLUTUNGEN
Vielen Wiener*innen ist nicht bewusst, dass Wien ohne den bestehenden Hochwasserschutz oft überflutet wäre und die Wassermassen in Wien bereits unterirdisch abgefangen werden. Erst bei extremen Hochwasserereignissen muss die Stadt zu drastischeren Maßnahmen greifen. Dann werden die Schleusen zur Neuen Donau geöffnet, um Wien vor weitflächigen Überflutungen zu retten.